Chronisch myeloische Leukämie Titelbild
Blutkrebs
Wissen

Gute Pro­gnosen bei chro­nisch myelo­ischer Leukämie

Chronisch Myeloische Leukämie Experte Nicola Andina

Dr. med. Nicola Andina
Oberarzt INSELSPITAL Bern
Universitätsklinik für Hämato­logie und
Hämatologisches Zentrallabor

In der Schweiz erkranken jährlich rund 100 – 120 Personen neu an einer chronisch myeloischen Leukämie (CML). Typisch für die Erkrankung: Sie ent­wickelt sich über Jahre und wird oftmals zufällig bei einer Routineuntersu­chung entdeckt. Dank neuen Medikamenten haben die Betroffenen heute eine annähernd normale Lebenserwartung.

 

Dr.  Andina  im  Gespräch

Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine erwor­bene Stammzellerkrankung des Knochenmarks. Wie entsteht sie?

Die CML entsteht aufgrund ei­ner erworbenen Veränderung (Mutati­on) des Erbgutes einer Knochenmarks­stammzelle. Stammzellen sind unreife Zellen, die sich nahezu unlimitiert ver­mehren und in unterschiedliche Zellty­pen weiterentwickeln können. Bei der CML sind die Stammzellen derartig ver­ändert, dass es zu einer unkontrollierten Vermehrung der weissen, sogenannt myeloischen, Blutkörperchen und deren Vorstufen kommt. Dies ist sowohl im Knochenmark als auch im peripheren Blut sichtbar.


Eine CML wird oftmals zufällig aufgrund stark erhöhter weisser Blutkörperchen im Rahmen einer Routine-Blutuntersuchung entdeckt. Wie wird eine CML diagnostiziert?

Bereits die mikroskopische Un­tersuchung des Blutausstrichs führt zur Verdachtsdiagnose einer CML. In der molekulargenetischen Analyse der weis­sen Blutkörperchen zeigt sich dann das Vorhandensein vom BCR-ABL Fusions­gen. Abschliessend folgt eine mikros­kopische Untersuchung des Knochen­marks und der Zytogenetik mit Nach­weis des Philadelphia-Chromosoms. Damit kann eine CML bestätigt werden.


Welche Beschwerden können bei einer CML auftreten?

Die CML verharrt in der Regel stabil über mehrere Jahre in der soge­nannten chronischen Phase und macht hier wenige oder unspezifische Sympto­me. Probleme ergeben sich unter ande­rem aufgrund der vergrösserten Milz, aufgrund der Blutarmut und aufgrund einer allfälligen Blutstillungsstörung. Ebenso können Müdigkeit, ausgeprägter Nachtschweiss, sowie ungewollter Ge­wichtsverlust auftreten.

Chronisch Myeloische leukämie Szenebild

Wer ist typischerweise von CML betroffen?

Grundsätzlich kann eine CML in jedem Alter auftreten. Am häu­figsten wird diese jedoch im Alter von 50 – 60 Jahren diagnostiziert, während Kinder nur sehr selten an einer CML erkranken.


Sie haben angesprochen, dass die CML über mehrere Jahre in einer chronischen Phase verharrt. Was charakterisiert den weiteren Verlauf?

Nach dieser stabilen Phase folgt über ein sogenanntes Akzelerati­onsstadium (Beschleunigung) das Blas­tenstadium, welches formal einer aku­ten myeloischen Leukämie (AML) ent­spricht. Unbehandelt führt eine AML rasch zum Tod.


Welche Behandlungsmöglichkei­ten gibt es?

Vor 2001 wurde bei geeigneten Patienten versucht, eine Knochenmark­transplantation durchzuführen, um ein Langzeitüberleben zu erreichen. Eine Knochenmarktransplantation ist nicht ungefährlich und kann tödlich enden. Auch besteht das Risiko einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Graft-ver­sus-Host-Disease (GvHD), einer Erkran­kung, bei der sich die Abwehrzellen des Spenderknochenmarks gegen den eige­nen Körper richten. Ab 2001 wurde die Behandlung dank neuen Medikamen­ten, den sogenannten Tyrosinkinase-In­hibitoren (TKI), revolutioniert.

«Die Lebenserwartung von CML Betroffenen nähert sich derjenigen der Normalbevölkerung an.»

Dr. Nicola Andina

Wie wirkt sich die Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) auf die CML aus?

Mit dieser Therapie fällt der Wachstums- und Überlebensvorteil der mutierten Zelle weg und die Zelle stirbt ab oder kann sich nicht mehr vermeh­ren. Die Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren führt zu einer massiven Ver­besserung der Therapie und Prognose der CML. Seit dem Aufkommen der TKI sind Stammzelltransplantationen zur Behandlung der CML selten geworden.
 

Wie sind die Aussichten und Überlebenschancen für CML Betroffene?

Die Tyrosinkinase-Inhibitoren haben die CML von einer relativ tödli­chen Erkrankung in eine chronische Er­krankung verwandelt. Während früher die Mehrheit der Patienten nach mehre­ren Jahren an einer CML verstorben ist, versterben heute weniger als 2 Prozent. Somit nähert sich die Lebenserwartung derjenigen der Normalbevölkerung an.


Wie ist die Lebensqualität von CML Patienten?

Unter einer Therapie mit TKI wird die chronisch myeloische Leukä­mie in der Regel innerhalb von wenigen Monaten so stark zurückgedrängt, dass sie nur noch mit hochsensitiven mole­kular diagnostischen Methoden nach­gewiesen werden kann. Entsprechend macht die Erkrankung selbst keine Be­schwerden mehr.

Chronisch Myeloische leukämie -Szenebild Meer

Wie sieht es mit den Nebenwir­kungen der Tyrosinkinase-Inhibi­toren aus?
In der Regel sind die Nebenwir­kungen mild, können aber gelegentlich schwerwiegend sein. In solchen Fällen sollte auf einen andern TKI gewechselt werden. Selten kommt es vor, dass alle TKI schlecht vertragen werden.


Müssen die Medikamente lebens­lang eingenommen werden?
Aktuell müssen die meisten Patienten die Medikamente ein Leben lang einnehmen. Bei besonders günsti­gem Verlauf besteht aber die Möglich­keit, die Therapie nach mehreren Jahren zu sistieren. Dies wurde in zahlreichen Studien untersucht. In etwa 60 Prozent kommt die CML innerhalb von 12 Mona­ten wieder zurück. Eine Wiederaufnah­me der TKI Therapie führt dann in nahe­zu 100 Prozent der Fälle zu einer erneut guten Kontrolle der Erkrankung. Nach 12 Monaten Therapiefreiheit nimmt das Rückfallrisiko hingegen deutlich ab. Ei­ne jahrelange Therapiefreiheit ist dann möglich.

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 26.09.2022